04. Nov 2023
Martin Unfried spricht am Hariolf-Gymnasium über Klimapolitik und den Emissionshandel.
Sieben Monate vor der Europawahl sprach der Politologe Martin Unfried am Hariolf-Gymnasium im Rahmen der Alumni-Vorträge über die Klimagesetze der EU und ihre Auswirkungen auf die nationale Klimapolitik.
Unfried hat 1984 am HG Abitur gemacht, nach dem Politologie-Studium arbeitete er in Maastricht in der Fortbildung von Ministerialbeamten in EU-Klimapolitik. Seit 2019 ist er Projektleiter am Institut für internationale Zusammenarbeit und Mobilität (ITEM) der Universität Maastricht.
Dass in Deutschland und anderen EU-Staaten manche Parteien den Anschein erwecken, sie könnten nationale Klimaschutzgesetze zurückdrehen, wie etwa das Erneuerbare Energien Gesetz oder das Gebäudeenergiegesetz in Deutschland, sei reines Wunschdenken, meinte Unfried. „Klimaschutz ist kein Kultur- kampf mehr, sondern Gesetz.“ EU-Recht verfolge seit der Pariser Klimakonferenz 2015 das klare Ziel, die Mitgliedsstaaten bis 2050 klimaneutral aufzustellen. Das zuletzt beschlossene Maßnahmenpaket „Fit for 55“ schränke die Klimagasemissionen in entscheidenden Sektoren bis 2030 ein, wenn der CO2-Ausstoß um 55 Prozent reduziert sein soll.
Dass darunter auch das Verbot von Autos mit Verbrennungsmotoren fällt (ab 2035, außer sie werden komplett mit E- Fuel betrieben) mache deutlich, wie die Gesetzgebung auf konkrete Kaufentscheidungen wirken kann. Die nationale Gesetzgebung folge den EU-Anordnungen. Wenn nicht, können nationale Gerichte EU-Vorgaben durchsetzen oder es drohen Strafzahlungen.
Die Hoffnung, dass sich Klimaschutz über Appelle an Moral und Verantwortung und einen allmählichen Bewusstseinswandel durchsetzen lasse, habe er aufgegeben, bekannte Unfried. Wie bei anderen, für die Gesellschaft hilfreichen, aber für den Einzelnen mitunter unangenehmen Verhaltensweisen, sei auch der Klimaschutz nur über Politik und Gesetze möglich.
Der Emissionshandel für CO2-Äquivalente habe sich dabei zu einem wichtigen Instrument entwickelt. Seit 2005 haben die energieintensiven Unternehmen in Europa ihre Emissionen um 41 Prozent reduziert, obwohl der Preis für CO2-Zertifikate erst in den letzten drei Jahren signifikant gestiegen ist. Aktuell kostet ein Zertifikat rund 80 Euro, man braucht es, um eine Tonne CO2 ausstoßen zu dürfen.
Wie Unfried mitteilte, wird ab 2026 der Emissionshandel auch auf den Schiffsverkehr, die Landwirtschaft, die Gebäudewirtschaft und den Straßenverkehr angewandt und die Zahl der Zertifikate stetig verringert mit der klaren Absicht, die Verbrennung fossiler Energieträger und damit den Ausstoß klimaschädlicher Gase deutlich zu verteuern.
Für den Privathaushalt bedeutet das, Heizen mit Öl und Gas sowie Fahren mit Benzin und Diesel werden kostspielig. „Wenn eine Partei behauptet, dies auf- halten zu können, dann sollte sie dazusagen, dass sie dazu EU-Recht aufheben muss“, sagte Unfried.
Bislang sei dies noch keiner Partei gelungen, was für die Kontinuität der EU-Gesetzgebung spricht. Unfried: „Ich bin mehr denn je ein überzeugter Europä- er.“
Gerhard Königer, Schwäbische Post 04.11.2023